Lust lernen – Wie wir mit allen Sinnen unsere Leidenschaft entdecken
Lust lernen – Wie wir mit allen Sinnen unsere Leidenschaft entdecken

Lust lernen – Wie wir mit allen Sinnen unsere Leidenschaft entdecken

(Quelle: Veronika Schmidt – Liebeslust: unverschämt und echt genießen)

„Glücklich das Paar bei dem beide Partner:innen gelernt haben, sich an ihrer Sexualität zu freuen.“ (Veronika Schmidt)

Hinweis für euren Paarabend: Lest den folgenden Text und beantwortet anschließend jede:r für sich die Fragen auf dem Paper (unter dem Text zum Download verfügbar). Tauscht euch anschließend darüber aus.

Teil 1: Was unsere Leidenschaft bremst

Heute geht es um die sinnliche Seite der Sexualität: Wie können wir eigentlich begehren? Wir steht es um unsere Lust und um unsere erotischen Fähigkeiten? Das Klischee „Männer wollen und können immer“ ist zwar noch in vielen Köpfen, aber längst keine Realität mehr. Immer mehr Frauen lernen ihre emotionalen Bedürfnisse auch im Sex zu stillen, während Männer lernen, ihre emotionalen Bedürfnisse nicht nur im Sex zu stillen. Dennoch gilt es nach wie vor als „Problem“, wenn der Mann weniger Lust hat als die Frau. Durch die Medien und durch Pornos wird das Bild vermittelt, dass es sich bei Sex um Leistungssport handelt: immer können, für die Lust der Frau verantwortlich sein, ein perfekter Liebhaber sein,… Das alles setzt unter Druck. Außerdem machen Faktoren wie Berufsstress, wenig Schlaf, hohe Ansprüche an Elternschaft, usw. sexmüde. Sich Wissen über Sex und Leidenschaft anzueignen hilft, den Druck rauszunehmen und gemeinsam zu lernen und zu genießen. Der Übersexualisierung also am besten gelassen gegenübertreten und sich von überzogenen Ansprüchen distanzieren: Man kann im Sex viel ausprobieren, muss es aber nicht. Erfüllende Sexualität ist viel simpler als man es uns weis machen will. Auf der anderen Seite sollte man aber auch nicht auf Sex verzichten, da er ein wichtiges, verbindendes und stabilisierendes Element in einer Beziehung ist. Wenn Berührungen mit schlechten Erfahrungen in Verbindung gebracht werden, kann dies einer Zärtlichkeit im Wege stehen. Der Körper spannt sich an, die Atmung wird kürzer und man verliert den inneren Kontakt zum Gegenüber. Oder man sucht die Flucht nach vorne: den schnellen Orgasmus. Hier macht es Sinn, Erfahrungen auch mit professioneller Hilfe aufzuarbeiten.

Teil 2: Wege zu mehr Sinnlichkeit

Hautnah

Berührungen der Haut sind überlebenswichtig und ohne die Funktionen der Haut ist ein Mensch nicht lebensfähig. Säuglinge können an mangelndem Körperkontakt sterben. Die Frau besitzt eine größere Hautoberfläche, mehr erogene Zonen und eine höhere Sensibilität für Berührungen als der Mann. Dies hört sich nach einem großen Vorteil an, ist es aber nur dann, wenn die Frau eine positive Einstellung zu Berührungen hat. Für eine Frau sind Berührungen nur dann lustvoll, wenn die Beziehung zu dem/der Berührenden intim und vertraut ist. Wenn ein Mann hingegen eine Berührung als sexuell wahrnimmt, empfindet er diese als angenehm, herzlich und vergnüglich. Frühe Berührungserfahrungen innerhalb der Familie sind immens wichtig. Dabei geht es um ankuscheln, schmusen, Körper- und Sinnesspiele. Diese und das Erleben der Elemente auf der nackten Haut (wie Wasser, Luft, Sand und Gras) unterstützen Kinder beim Aufbau der Empfindsamkeit und Erotik. Nach einem Jahr Beziehung tauschen Paare die meisten Berührungen aus. Danach nimmt die Häufigkeit ab. Deshalb sollten Berührungen im Alltag nicht dem Zufall überlassen werden!

Sinnliches Berühren

Berührung ist Verführung und Erotik gleichzeitig. Unsere Hände sind zentral für eine körperliche Kommunikation: ich berühre und werde zugleich berührt. Dies beinhaltet zwei Richtungen und hat eine Wirkung auf beide Partner:innen. Die Berührung von Haut zu Haut erhöht immer den Spiegel des Kuschelhormons Oxytocin. Veronika Schmidt beschreibt in ihrem Buch die Idee, immer mal wieder nackt (ein) zu schlafen. Dies hilft, gegenseitige Zuneigung aufzubauen und führt zu dem Bedürfnis nach Berührung, Beziehung und Kontakt. Wenn dann noch die Hand auf dem Geschlecht des Mannes oder den Brüsten/dem Geschlecht der Frau ruht, kann daraus schnell eine intimere Begegnung entstehen. Je mehr Sinne mit einbezogen sind, desto höher wird das Lusterleben und desto intensiver die Empfindungen. Der Tastsinn spielt dabei die bedeutendste Rolle, da er sich mit all den anderen Sinnen verbindet. Küssen ist die sinnlichste Berührung, die es gibt. Wenn wir tiefe Gefühle füreinander empfinden, werden Berühren und Küssen zu einem intensiven sinnlichen Erlebnis. Warum nicht einmal den ganzen Körper des/der Partner:in durch Küssen entdecken? Dies kann unheimlich erotisch sein. Der wirksamste Weg, die Intimität zu verstärken, ist das Hinschauen. Wenn ich die Augen beim Küssen oder beim Sex öffne, zeige ich mich dem/der anderen mit allem, was mit mir gerade passiert: mit meiner Lust, meiner Liebe, vielleicht auch meiner Unsicherheit und Angst. Sich im Orgasmus zu zeigen, ist das Intimste überhaupt. Mit dem Mund und den Händen können wir akrobatisch erotisch werden: erst den oberen Körperbereich erforschen, danach weitergehen zum unteren Körperbereich, das Geschlecht mit Mund, Zunge und Händen bis zum Orgasmus (oder kurz davor) stimulieren. Anschließend kann dann das Körperinnere (Vagina und Mund) der Frau mit dem Penis, der Zunge und den Fingern berührt werden.

Erogene Zonen

Männer und Frauen haben sowohl gemeinsame, als auch alleinige erogene Zonen. Zu den gemeinsamen zählen die Genitalien, die Lippen, die Zunge, die Nase, der Nacken, die Schultern, die Brustwarzen und die Innenseite der Oberschenkel. Die erogenen Zonen der Frau sind vor allem die Wangen, die Ohren, die Busen, die Taille, die Pobacken und die Klitoris. Diese hat doppelt so viele Nervenenden wie die Eichel des Penis und ist das einzige Organ, dessen ausschließliche Funktion das Lusterleben ist. Die Wimpern, die Ohrläppchen, der Nabel, der untere Rücken und der Damm zählen zu den erogenen Zonen des Mannes.

Sexuelle Identität

Wer Intimität intensiver erleben will, sollte mit der Aufmerksamkeit bei sich selbst bleiben. Eine entspannte und loslassende körperliche Haltung ermöglicht zum einen eine ganz andere körperliche Wahrnehmung, zum anderen aber auch die Selbstwahrnehmung als eigenes sexuelles Wesen. Körperübungen wie die Beckenschaukel und die Bauchatmung sind für die sexuelle Identität wichtig. Fantasien helfen, das sexuelle Begehren in der Partnerschaft zu fördern und zu erhalten. Dabei geht es darum, dass wir eine erotische Fantasie und Vorstellung von uns selbst und unserem/unserer Partner:in entwickeln. Als begehrender Mensch besitze ich Selbstvertrauen, kann mich wertschätzen und trete als erotisches Wesen auf.  

Teil 3: Verführung

Verführung hat einen verruchten Ruf ist aber an für sich nicht verwerflich oder grundsätzlich negativ. Für den Reichtum unseres Sexlebens hat Verführung einen geradezu unverzichtbaren Platz. Ohne sie weiß das Paar nicht, wie sich das Gegenüber für Sex gewinnen lässt. Die Liebe will umworben und umschmeichelt werden, sonst wird sie langweilig. Dies erfordert ein gewinnendes Verhalten und Kreativität. Die gute Nachricht ist: Verführung kann erlernt werden.

Grundsätzlich gibt es zwei Varianten:

  1. Das verführerische Äußere
  2. Das eigene Innenleben offenbaren: Zu sagen, wie man sich fühlt, was man denkt und begehrt ist verführerisch. Es gibt nichts Attraktiveres als einen Menschen, der weiß, was er ist und was er will.

Am Erfolgreichsten für das gemeinsame Glück ist es, wenn beide gelernt haben, ihre Bedürfnisse auszudrücken und dafür zu werben.

Strategien der Verführung:

Sich rarmachen

Verführung benötigt eine gewisse Distanz (zeitlich und räumlich). Daher hilft es, immer wieder loszulassen. Den/die andere/n zeitlich entbehren zu müssen, entfacht das Verlangen neu. Wenn es zu „eng“ wird, dann wollen wir weg oder es entstehen Konflikte. Durch Vorstellung und Fantasie kann ich den/die Partner:in für mich erotisieren, mich auf eine sexuelle Begegnung einstimmen und sie dann in der Realität stattfinden lassen.

Das Gegenüber locken mit…

  • sinnlichen Blicken
  • Kopfhaltung
  • leicht geöffneter Mund
  • Hand, die über den eigenen Körper fährt
  • Hand etwas länger halten

Das macht mich an

Wir haben individuelle „Geheimreize“, auf die wir anspringen: je vielfältiger diese Anziehungscodes sind, desto mehr Sinne kann man miteinbeziehen. Anziehend ist alles, was unsere emotionale Verbindung und genitale Erregung auslöst. Die emotionalen Bedürfnisse sind z.B. Gesten, Handlungen, Worte, Rituale, Charisma, Charme, Intelligenz, körperliche Merkmale, Duft und Fitness. Die genitale Erregung entsteht durch nackte Gestalt, Geschlechtsteile, Busen, Haut, Po, explizit sexuelle Gesten, sexuelle Sprache, Laute (Stöhnen,…).

Sprache

Zur Verführung gehört auch die erotische Sprache. Dies geht von Liebesgeflüster bis Dirty Talk. Dabei ist es ist völlig okay, beim Sex nicht zu sprechen. Davor kann es aber eine wichtige Erregungsquelle sein.

Beispiele:

  • über alte Erinnerungen sprechen
  • erotische Fantasien austauschen
  • Rollenspiele
  • davon reden, wie es sich anfühlt, wenn das eigene Geschlecht „wach“ wird
  • beschreiben, was gerade vor sich geht
  • erotisierende Liebesschwüre ablegen
  • Reizworte wie „hart“, „nass“, „nehmen“, „ficken“, …
  • poetische Ausdrücke

Veronika Schmidt hat dazu auch ein passendes Kurzinterview gegeben:  

https://lifechannel.ch/leben/genuss-kultur/tipps-trends/reden-oder-schweigen-waehrend-dem-sex-videoclip-ratgeberserie/

Paar vor Kind

Damit Verführung möglich wird, müssen wir passende Gelegenheiten schaffen und Prioritäten setzen. Denn in erster Linie sind wir ein Paar und in zweiter Linie Eltern. Manche Frauen neigen dazu, mit ihren Kindern „eins“ zu werden. Sie ordnen ihnen alles unter und vernachlässigen die Partnerschaft. Ehen scheitern deshalb so häufig, weil sich bei den meisten Elternpaaren alles nur noch um die Kinder dreht. Zweisamkeit für die Paarbeziehung ist daher so wichtig – also mindestens ein Wochenende pro Jahr kinderfrei.

Es“ öfter tun:

Lust/Erotik sollte den gleichen Stellenwert wie die anderen Alltagsthemen haben, kommt aber häufig zu kurz und wird dem Zufall überlassen. Je verkümmerter sie ist um so schwerer lässt sie sich im Alltag wecken, was zu einer  Abwärtsspirale führt. „Wer abends lange fernsieht, Pflichten erfüllt bis kurz vor dem Zubettgehen, bis zur letzten Minute im Bett online ist, wer an Samstagen, wenn alle Kinder aus dem Haus sind, nicht zusammen ins Bett geht, wer nie zusammen einen Abend mit Nichtstun auf dem Sofa verbringt, nie Händchen haltend einen Abendspaziergang im Wohngebiet macht, wer nie, wenn die Kinder früh im Bett sind, die Hüllen fallen lässt, wird vielleicht nur in den Ferien Sex haben. Oder dann erst recht nicht.“ (Veronika Schmidt)

In diesem Kurzinterview gibt Veronika Schmidt Einblicke, wie Lust funktioniert:

https://lifechannel.ch/leben/genuss-kultur/tipps-trends/wie-funktioniert-lust-videoclip-ratgeberserie

Druckt euch nun das Paper mit den Fragen aus, beantwortet diese (jede:r für sich) und tauscht euch danach über das Gelesene und eure Antworten aus.

Wir wünschen euch viel Spaß und Lust beim Austauschen. Eure Esther und Michi

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