Beziehungsreise mit Stefanie Stahl – die eigene Vergangenheit reflektieren
Beziehungsreise mit Stefanie Stahl – die eigene Vergangenheit reflektieren

„Sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen (…) mag zwar am Anfang schmerzhaft sein, ist aber die große Chance, um alte Gefühle aufzulösen und zu ganz neuen Einstellungen zu gelangen.“ (Stefanie Stahl)

Beziehungsreise mit Stefanie Stahl – die eigene Vergangenheit reflektieren 

Die eigene Vergangenheit reflektieren – schon wieder? Vielleicht hast du das schon öfters gemacht. Vielleicht alleine, vielleicht auch als Paar. Auch hier bei PAARmanufaktur haben wir darüber schon mal gesprochen.“ Jedoch haben wir uns noch nie so in der Tiefe damit beschäftigt – und das wollen wir heute tun. Denn ohne Selbstreflexion geben wir Dinge ungefiltert an unsere eigenen Kinder weiter. Und das wollen wir doch nicht, oder? 

Heute geht es mehr um dich selbst und weniger um euch als Paar. Sich selbst zu reflektieren ist jedoch wesentlich für eine stabile Paarbeziehung. Wir machen heute eine Standortbestimmung („Wie war dies und jenes in meiner Vergangenheit?“) und keine direkte Maßnahmenableitung. 

Wichtig dabei ist, dass es sich, wenn wir hier von „Eltern“ sprechen, immer um die Personen handelt, die in den ersten Jahren die primären Bezugspersonen waren (können auch Pflegeeltern o.ä. sein). Es geht nicht darum, die eigenen Eltern zu kritisieren, sondern darum, die eigene Vergangenheit zu reflektieren und daraus zu lernen. 

Zu Beginn werden wir vier Themen kurz anschneiden und erklären, da sie für die Reflexion wichtig sind. Alle Ideen haben wir aus dem Buch* von Stefanie Stahl „Jede*r ist beziehungsfähig“. Der größte Teil wird heute die Reflexion sein. Dafür haben wir ein 4-seitiges Paper mit vielen Fragen vorbereitet: Nimm dir wirklich die Zeit dafür und lass dich darauf ein. Reise in deine Vergangenheit und besprecht euch danach als Paar (wenn ihr das wollt). 

Teil 1: Kurzer Input zu vier Themen

Das Elternhaus als Ursprung des Urvertrauens und Selbstwertes

Unsere Eltern sind in den ersten Lebensjahren von besonderer Bedeutung, sie sind unsere Vorbilder. Sowohl Bindung und Anpassung als auch Autonomie und Selbstbehauptung müssen gelernt werden. Ob unsere psychischen Grundbedürfnisse nach Bindung und Selbstwert von unseren Eltern erfüllt werden, hängt in hohem Maße davon ab, wie bindungsfähig und einfühlsam diese sind. Bindungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen sind Königskriterien für Erziehungskompetenz. Durch die Einfühlung seitens Bezugspersonen erfährt ein Kind, dass es richtig ist, so wie es ist und dass seine Gefühle berechtigt sind. So lernt das Kind, die eigenen Gefühle und das eigene Verhalten zu regulieren. Wichtig dabei ist, die Gefühle zu benennen und dem Kind zu vermitteln, dass es eine Lösung für das Gefühl gibt. Auch die Eltern meiner Eltern haben Fehler gemacht und sie dadurch geprägt. Unsere Eltern haben wahrscheinlich ihre eigene Erziehung zu wenig reflektiert und deshalb vieles einfach so an uns weitergegeben. Selbstreflexion ist deshalb so wichtig, um die eigenen, negativen Prägungen nicht an die eigenen Kinder weiterzugeben. 

Deine Vergangenheit und dein inneres Kind

Das „innere Kind“ ist eine Metapher für Gefühle und Gedanken aus unserer Kindheit, die wir heute noch haben, also unsere frühe Prägung, die eine entscheidende Auswirkung auf uns hat. Es ist der Persönlichkeitsanteil in uns, der uns die eigenen Eltern nicht kritisch betrachten lässt. Als Kind haben wir die Fehler bei uns selbst gesucht, da wir unsere Eltern idealisierten. Als Erwachsene suggeriert uns dies nun, die anderen seien in Ordnung, nur man selbst sei irgendwie verkehrt. Zwischen negativen Prägungen und Traumata ist ein fließender Übergang. Als Mensch erfährt man traumatische Erlebnisse. Das ist völlig normal. Ein Trauma ist die maximale Hilflosigkeit in einer Gefahrensituation. Wenn es nicht bewältigt wird, kann es sich tief im Angstzentrum einprägen. Man ist in ständiger Angstbereitschaft, reizbar, aggressiv und hyperaufmerksam und kann eine posttraumatische Belastungsstörung (kurz PTBS) entwickeln. Durch eine sichere Bindung schon als Kind können traumatische Erlebnisse bewältigt werden, sodass keine PTBS entstehen muss. Deshalb ist die Bindung und das Einfühlen in den ersten Lebensjahren von so großer Bedeutung. Es gibt uns Stärke und lässt uns Situationen, die belastend sind, besser aushalten und bewältigen. Unreflektierte Traumata können über mehrere Generationen (unbemerkt) weitergegeben werden. Wenn wir also heute in die Vergangenheit reisen, ist es das Ziel, möglichst objektiv eine Sicht der Dinge zu erreichen. Dann kann man ein Verständnis für sich selbst und das eigene (heutige) Verhalten erlangen. 

Du darfst wütend sein

Wut ist eine Emotion, die erlaubt ist. Es ist wichtig, dass Kinder schon von klein auf lernen, ihre eigenen Wutgefühle zu regulieren. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass die Eltern (Bezugspersonen) die Wutgefühle ihrer Kinder nicht persönlich nehmen. Reagieren sie wiederholt mit starker Wut auf die Wut ihrer Kinder, dann lernen die Kinder, dass Selbstbehauptung gefährlich ist. Reagieren sie darauf mit Trauer und Enttäuschung, dann lernen die Kinder, dass sie andere verletzen, wenn sie sich selbst behaupten und dass sie für die Gefühle ihrer Eltern verantwortlich sind. Die Aggression ist eine Kombination aus den Emotionen Wut und Ärger. Sie ist sehr wichtig, um uns abgrenzen bzw. sich selbst behaupten zu können und um unseren eigenen Weg zu gehen. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen passiver und aktiver Aggression. Wenn die aktive Aggression positiv genutzt wird, hilft es, dass man autonom unterwegs ist, Wünsche geäußert werden können und man gut argumentieren kann. Jedoch kann sich die aktive Aggression auch negativ äußern: Man wird autoritär, fordernd, streitlustig und wenig verhandlungsbereit. Menschen, die passiv aggressiv bzw. aggressionsgehemmt sind, sind Menschen, die bei den Eltern erfahren haben, dass Wut unerwünscht, schlecht und gefährlich ist. Wut als Gefühl wurde (wiederholt) erstickt. Sie haben deshalb nicht gelernt, zu sagen, was sie wollen oder nicht wollen, sie „vergessen“ Versprechen, sind kompromisslos und können durch Jammern und Klagen andere manipulieren. 

Glaubenssätze

Glaubenssätze sind tiefe, oft unterbewusste Überzeugungen, also innere Programme, mit deren Hilfe wir uns die Wirklichkeit interpretieren. Sie entstehen vor allem in den ersten Lebensjahren durch Erfahrungen (mit den Eltern). Es ist der Versuch des Kindes, die Welt zu erklären und muss nicht direkt so von den Eltern kommuniziert worden sein. Unsere Glaubenssätze bestimmen maßgeblich, wie wir wahrnehmen, fühlen, denken und handeln. Wir alle haben sowohl positive (funktionale) und negative (dysfunktionale) Glaubenssätze. Sie sind oft einfach formuliert, da das Unterbewusstsein in einfachen Kategorien „denkt“. 

Teil 2: Reflexion

Jetzt seid ihr dran. Nehmt euch genügend Zeit und arbeitet das folgende Paper durch – jede*r für sich. Es kann heute einige Zeit in Anspruch nehmen, aber es lohnt sich! Ob ihr euch danach darüber austauscht oder nicht ist ganz euch überlassen. Wir erachten es als sehr wertvoll, als Paar auch über sich selbst und die eigene Vergangenheit zu sprechen. Es trägt zu einem besseren Verständnis füreinander bei.

Wir wünschen euch nun viel Geduld mit euch selbst, gute Gedanken und eine schöne Zeit mit eurer Reflexion. Eure Esther und euer Michi 🙂

* Quelle: Stefanie Stahl (2017): Jeder ist beziehungsfähig: Der goldene Weg zwischen Freiheit und Nähe. kailash

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